Die Grenzen der verdeckten Ermittlung
Das Bundesgericht entschied mit einem Urteil 6B_210/2021 vom 24. März 2022 über die Verwertbarkeit von Beweisen, welche durch verdeckte Ermittlung erlangt wurden. Der vermeintlich geständige Beschuldigte wurde freigesprochen.
Einem Beschuldigten wurde vorgeworfen, seine Ehefrau am 19. Oktober 2009 mit einer Schusswaffe getötet zu haben. Der Beschuldigte stritt dies jedoch während der über mehreren Jahren laufenden Strafuntersuchung stets ab. Die Staatsanwaltschaft setzte daraufhin zwei verdeckte Ermittler ein. Ein Ermittler, der sich mit dem Beschuldigten anfreundete und eine Ermittlerin, welche sich als Wahrsagerin ausgab. Der abergläubische Beschuldigte gestand dem verdeckten Ermittler den Mord im Anschluss an eine Sitzung bei der ebenfalls als verdeckte Ermittlerin eingesetzten Wahrsagerin, die massiv auf den Beschuldigten eingewirkt hatte. In der Folge sprach das Bezirksgericht Zürich den Beschuldigten des Mordes schuldig und verurteilte ihn zu 14 Jahre Freiheitsstrafe. Die Verwertbarkeit dieses Geständnisses war jedoch umstritten, weshalb das Obergericht den Beschuldigten vom Vorwurf des Mordes freisprach. Die Oberstaatsanwaltschaft reichte daraufhin Beschwerde beim Bundesgericht ein.
Nach Art. 285a StPO liegt eine sogenannte verdeckte Ermittlung vor, wenn Angehörige der Polizei oder Personen, die vorübergehend für polizeiliche Aufgaben angestellt sind, unter Verwendung einer durch Urkunden abgesicherten falschen Identität durch täuschendes Verhalten zu Personen Kontakte knüpfen, mit dem Ziel, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und in ein kriminelles Umfeld einzudringen, um besonders schwere Straftaten aufzuklären.
Verdeckten Ermittlungen sind jedoch Grenzen gesetzt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein:e Beschuldigte:r vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Die verdeckte Ermittlung darf nicht zu einer Umgehung dieses Rechts führen, was dann anzunehmen ist, wenn ein:e verdeckte Ermittler:in unter Ausnutzung des geschaffenen Vertrauens, in vernehmungsähnlicher Weise Fragen stellt, die bei der Einvernahme gestellt wurden oder hätten gestellt werden müssen und so die beschuldigte Person zu einer Aussage drängt, welche diese in einer Einvernahme nicht getätigt hätte. Dagegen ist eine blosse Kenntnisnahme von Aussagen, welche nicht unter Druck erzwungen wurden, gültig.
Im vorliegenden Fall entschied das Bundesgericht, dass das Geständnis des Beschuldigten aus einer inneren Zwangslage, die geschickt konstruiert wurde, erfolgte und somit nicht aus eigenem Antrieb. Auf diese Weise wurde das Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten beeinträchtigt. Dieses Vorgehen entspricht nicht dem Fairnessgebot und die verdeckte Ermittlung wurde als verbotene Beweiserhebung qualifiziert. Das aus der verdeckten Ermittlung resultierende Geständnis des Beschuldigten war somit im Sinne von Art. 141 Abs. 1 StPO nicht verwertbar.
Beschuldigte Personen sind oft gut beraten, sich zu Beginn des Strafverfahrens auf ihr Aussageverweigerungsrecht zu berufen. Insbesondere in Fällen, in denen keine notwendige Verteidigung gewährt werden muss und die beschuldigte Person an der ersten Einvernahme nicht von einem Rechtsanwalt vertreten ist, werden die Beschuldigten oft zu Aussagen verleitet, welche Ihnen im späteren Strafverfahren teuer zu stehen kommen können. Aus diesem Grund empfiehlt es sich bei Erhalt einer Vorladung zu einer Einvernahme bei der Polizei zuerst einen Rechtsanwalt oder die eigene Rechtsschutzversicherung zu kontaktieren und sich allenfalls von einem Rectsanwalt zur Einvernahme begleiten zu lassen.
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